Der Hund als Glücksbringer: der Tag des Hundes in Japan und ein Relief auf der Karlsbrücke in Prag 

In Japan gibt es den Tag des Hundes zweimal: einmal als fixes Datum im Kalender, das andere Mal als beweglicher Feiertag. Der Ursprung und die Bedeutung dieser beiden Tage des Hundes sind völlig verschieden.

Der Tag des Hundes als fixes Datum ist der 1.11. jeden Jahres. Er ist eine moderne Erfindung der japanischen Hundebedarfsartikel-Industrie, die folgendermaßen zustande kam. In jeder Sprache bellen Hunde anders: im Deutschen "wau wau", im Tschechischen "haf haf", im Englischen "woof woof" und im Japanischen "wan wan". Da "wan" phonetisch wie die Aussprache des englischen Worts "one" für Eins klingt, hat man den 1. November als Tag des Hundes ausgewählt (wan wan wan). Dieser Tag ist also nichts weiter als ein Teil einer kommerziellen, verkaufsfördernden Strategie.

12 Tierkreiszeichen des chinesischen Kalenders Ganz anders der Tag des Hundes als beweglicher Feiertag. Er hat eine jahrhundertealte Tradition und geht zurück auf den chinesischen astrologischen Kalender, mit dem der Charakter und die Zukunft eines Menschen ermittelt wird. Dieser Kalender beruht auf einem komplizierten System zur Zählung von Jahren, Monaten, Tagen und Stunden mit Hilfe von 5 Element- und 12 Tiersymbolen. Bekannt sind vor allem die Tierkreiszeichen (Tiger, Affe, Hund usw.), die im 12er-Rhythmus jeweils einem Jahr zugeordnet werden. So war zum Beispiel 1994 das Jahr des Hundes, das nächste ist 2006. Im 6. Jahrhundert n.Chr. wurde dieser Kalender von den Japanern aus China übernommen und in die heimische Shinto-Religion integriert. In Japan (wie auch in China) wird der astrologische Kalender (Kanshi oder Eto) noch heute neben dem offiziellen Gregorianischen Kalender verwendet.

Iwata-obi Auch der traditionelle "Tag des Hundes" (Inu no hi) in Japan geht auf den chinesischen Kalender zurück. Er ist nicht auf ein bestimmtes Datum im Jahr fixiert, sondern wird nur individuell von schwangeren Frauen zelebriert. In Japan ist der Hund nicht nur wie in China ein Symbol der Treue, vielmehr steht der Hund für eine glückliche, schmerzfreie Geburt, da nach allgemeinem Glauben Hündinnen oft mehrere Welpen ohne weitere Komplikationen gebären. Aus diesem Grund begehen viele Frauen in Japan immer an einem Dienstag im fünften und neunten Monat ihrer Schwangerschaft den Tag des Hundes, indem sie sich ein langes Band (Iwata-obi), auf das ein Hündchen aufgenäht ist, um den Bauch winden. Mit diesem Ritual soll eine glückliche Geburt beschworen werden. Der Iwata-obi ist aus Baumwolle und in den Nationalfarben Weiß-Rot gehalten (siehe Bild).

Kimono mit Obi Ein prominentes Beispiel für die feierliche Begehung des Tags des Hundes war die Kronprinzessin Masako. In Gegenwart ihres Gemahls, des Kronprinzen Naruhito, und begleitet von Hofdamen legte sie 2001 im fünften und neunten Monat der Schwangerschaft im Togu Palast in Tokio eine Schärpe (Obi) an. Anders als der gewöhnliche Iwata-obi wird diese Schärpe über dem traditionellen Kimono getragen (siehe Bild). Der Obi der Kronprinzessin war aus Seide, über 4½ Meter lang und ein Geschenk des Kaisers Akihito. In Japan haben die Medien ausführlich über die Zeremonie am Hofe berichtet, die schließlich ihr lang erhofftes glückliches Ende fand: am 1.12.2001 wurde nach acht kinderlosen Jahren Prinzessin Aiko geboren.

Japanerinnen haben außerdem noch die Gelegenheit, den Tag des Hundes in Suitengu Schreinen zu begehen. Einer dieser Schreine steht in Tokio. Dieser Schrein aus dem 12. Jahrhundert ist speziell dem Tag des Hundes gewidmet, in dem Frauen für Fruchtbarkeit und eine sanfte Geburt, aber auch für Schutz gegen Wassergefahren beten (Suiten ist zugleich die Göttin des Wassers). Am Eingang zum Altar steht eine Statue einer Hündin mit einem Welpen. Berührt man den Kopf des Welpen, verheißt dies Glück für das erwartete Kind und die Familie. Wie man auf dem Bild sieht, ist der Kopf des Hündchens durch die vielen Berührungen ganz blank und glänzend.

Suitengu Schrein in Tokio Suitengu Schrein in Tokio

Bemerkenswerterweise gibt es auch in der Tschechischen Republik eine Darstellung eines Hundes, dessen Berührung Glück bringen soll. Es handelt sich um ein Relief auf der Karlsbrücke in Prag, das jeder kennt, der einmal auf der berühmten Brücke war. Weitgehend unbekannt ist aber, wie es zu diesem Brauch kam und was der Hund bedeuten soll.

Statue des hl. Nepomuk Das Relief gehört zur Statue des hl. Johannes Nepomuk, die 1683 als erste aller Heiligenstatuen in der Mitte der Brücke aufgestellt wurde. Es befindet sich auf der linken Seite am Sockel, rechts ist ein weiteres Relief angebracht. Der Hintergrund für die Errichtung der Statue ist eine Mischung aus Legende und historischen Fakten, die viel profaner sind. Wir lassen die Historie hier außer acht.

Der Legende nach war Nepomuk der Beichtvater der Königin Sophie, der Gemahlin von König Wenzel IV. Als eifersüchtiger und jähzorniger Mann wollte Wenzel unbedingt erfahren, was seine Frau Sophie dem Priester unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses anvertraut hatte. Doch trotz grausamer Folter wahrte Nepomuk das Beichtgeheimnis, so daß schließlich König Wenzel den treuen und verschwiegenen Nepomuk 1393 von der Moldaubrücke in den reißenden Fluß stürzen ließ.

Die beiden Reliefs am Sockel der Statue stellen diese Ereignisse dar. Das linke Relief zeigt im Hintergrund den Beichtstuhl, im Vordergrund einen Mann in Ritterrüstung (vermutlich Wenzel selber) mit einem Hund. Das rechte Relief zeigt im Hintergrund den Brückensturz, im Vordergrund eine Mutter mit einem Kind, eine biblische Anspielung auf die Ermordung der Kinder von Betlehem durch Herodes. Beide Motive, der Hund und der Kindermord, sollen den rohen Charakter des Königs versinnbildlichen. Der Hund wurde deshalb gewählt, weil sich Wenzel als leidenschaftlicher Jäger stets mit scharfen Hunden umgab. Nach einer weiteren Legende sollen die Jagdhunde auch die Todesursache der ersten Gemahlin des Königs, Königin Johanna, gewesen sein. Sie soll in der Nacht des 31. Dezember 1386 auf der Burg Karl¹tejn plötzlich im Bett aufgesprungen sein, was die sich im Schlafzimmer befindlichen Hunde so erschreckte, daß sie sie zu Tode bissen.

Linkes Relief der Nepomuk-Statue Rechtes Relief der Nepomuk-Statue

Statue des hl. Nepomuk Alle diese Hintergründe dürften den meisten in- und ausländischen Touristen und Besuchern der Karlsbrücke unbekannt sein. Allgemein bekannt ist nur der Glaube, daß ein Wunsch in Erfüllung geht und man nach Prag zurückkehren wird, wenn man die Reliefs mit der linken Hand berührt und sich dabei etwas wünscht. Es ist ungewiß, ob dies ein alter tschechischer Brauch ist, sicher ist aber, daß ihn italienische Touristen, die Ähnliches aus ihrer Heimat kennen, populär gemacht haben. Der Brauch wird so massenhaft ausgeübt, daß die beiden Reliefs – ähnlich wie die Welpen-Figur im Suitengu Schrein – von den vielen Berührungen blank und goldglänzend sind.

Die Nepomuk-Legende und der Brauch der Reliefberührung weisen nicht nur äußerlich Ähnlichkeiten mit dem Ritual und den Hundefiguren im Suitengu Schrein auf. So ist der hl. Nepomuk nicht nur ein Patron der Verschwiegenheit und der Brücken, sondern schützt auch vor Wassergefahren. Wie wir gesehen haben, beten die schwangeren Frauen im Suitengu Schrein ebenfalls für Schutz gegen Wassergefahren. Man mag diese Gemeinsamkeit als zufällig ansehen, unbestritten jedoch bleibt, daß der Hund ein universales Glückssymbol ist. Seine positive Symbolkraft ist so stark, daß selbst eine ursprünglich negative Bedeutung in Vergessenheit geraten und ins Gegenteil verkehrt werden kann. Heutzutage ist der Hund auf dem Relief zu Füßen des hl. Nepomuks allein ein Glücksbringer, der Wünsche in Erfüllung gehen läßt.

© Dr. Holger Funk 2005

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